Vor Kurzem sprachen wir mit Alexis Deladerrière, Head of International Developed Markets Equity im Bereich Fundamental Equity bei Goldman Sachs Asset Management, über eine Reihe ökologischer Themen und erörterten, was diese für Anleger bedeuten können. Sein Team ist überzeugt, dass wir am Anfang einer breiten Nachhaltigkeitsrevolution stehen, die weltweite und sektorübergreifende Auswirkungen auf Anlagerisiken wie auch ‑chancen haben wird. Da Unternehmen, Verbraucher und politische Entscheidungsträger zugleich immer mehr Wert auf Umweltverträglichkeit legen, wird die erhöhte Aufmerksamkeit seiner Meinung nach neue Anlagechancen schaffen, weil „saubere Technologie“ bestehende Branchen dauerhaft verändern kann.
Können Sie uns einige der Nachhaltigkeitsthemen nennen, mit denen Sie es heute zu tun haben?
In vier Bereichen sehen wir eine Reihe von Nachhaltigkeitsthemen, die wir für langfristige Trends halten: nachhaltiger Konsum, saubere Energie, Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Auf „nachhaltigen Konsum“ möchte ich etwas ausführlicher eingehen: Dieser Bereich gehört zu den Hauptthemen, die wir am Markt und auch in zahlreichen Sektoren von Lebensmitteln bis hin zu Mode beobachtet haben. Bei verbraucherorientierten Unternehmen gibt es das Konzept eines „grünen“ Labels, das für eine rücksichtsvolle Lieferkette und nachhaltige Verpackung steht. Das hat eine Rückkehr zur Ökologie und zu mehr natürlichen und biologisch abbaubaren Inhaltsstoffen gefördert. Ein Beispiel, das wir uns vor Kurzem angeschaut haben, ist das niederländische Unternehmen DSM, das Futtermittelzusätze auf den Markt bringen möchte, mit denen das von Kühen freigesetzte Methan reduziert werden kann. Kühe tragen maßgeblich zu einem Treibhausgas bei, das für den Klimawandel besonders gefährlich ist. Die Milchindustrie hat heute ein gesundes und grünes Image, das sie sich bewahren möchte. Dazu braucht sie aber Lösungen, die die Umweltbelastung durch ihre kommerziellen Tätigkeiten verbessern können. Wir erwarten in den kommenden Jahren mehr Innovation in diesem sowie in anderen Bereichen.
Welche Rolle spielen Unternehmen und Regierungen dabei?
Unserer Ansicht nach gibt es grundsätzlich drei Arten von Unternehmen, die sich auf Lösungen konzentrieren, um positive Auswirkungen zu erzielen oder negative Auswirkungen zu reduzieren: Start-ups, die meist entstanden sind, um neue Produkte zu entwickeln, die ausschließlich nach einer Lösung für ein Problem suchen; Unternehmen, die sich schon immer darauf konzentriert haben und jetzt ein exponentielles Wachstum erleben; und etablierte Unternehmen, die ihr Verhalten ändern, um sich dem zunehmenden Fokus auf ökologische Lösungen anzupassen. Ein Beispiel für letztere Gruppe wäre General Motors, ein traditionsreicher US-Automobilhersteller, der es sich zum Ziel gesetzt hat, ab 2035 nur noch Elektrofahrzeuge zu verkaufen. Wenn das gelingt, würde sich das Unternehmen als einer der Vorreiter dieses Wandels abzeichnen, der die sich verändernden Präferenzen nutzen möchte. Von diesen Veränderungen sind jedoch nicht nur große Konzerne betroffen. Eine wichtige Entwicklung der letzten Jahre ist die zunehmende Breite und Tiefe des Anlageuniversums, das durch Ausgliederungen, SPACs und Börsengänge auf diese Themen ausgerichtet ist, wodurch mehr Möglichkeiten entstehen, in diese Wachstumschancen zu investieren.
Politische Entscheidungsträger in aller Welt haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, umweltbelastende Aktivitäten durch Steuern und Regulierung einzudämmen und gleichzeitig Anreize für die Entwicklung alternativer Lösungen zu setzen. Mit dem europäischen Emissionshandelssystem beispielsweise, das 40 % der Emissionen in der EU abdeckt, ist es gelungen, diese Emissionen in den vergangenen 15 Jahren um 35 % zu reduzieren. In den USA sehen wir erste lokale Vorschriften, die bestimmte Arten von Einwegplastikartikeln verbieten. Und in Norwegen wurde der Anteil von Elektroautos durch Anreize auf 54 % des gesamten PKW-Absatzes 2020 gesteigert. Bis 2025 soll dieser Anteil 100 % betragen.
Welche Entwicklungen sehen Sie im Bereich der erneuerbaren Energien?
Wind und Sonne sind in vielen Fällen mittlerweile die kostengünstigsten Energiequellen in einem Markt. Das war vor 10 Jahren noch ganz anders, als diese Arten von Energie teuer waren und nur durch Subventionen wettbewerbsfähig bleiben konnten. Durch technische Verbesserungen konnte die Kapazität von Windturbinen in den letzten beiden Jahren um 50 % gesteigert werden und die Kosten für diese Energie sind in den vergangenen 10 Jahren um 80 bis 90 % gefallen. Außerdem sind weitere Effizienzsteigerungen zu erwarten, was das aktuelle exponentielle Wachstum der erneuerbaren Energien zum Teil erklärt. Es besteht jedoch noch enormes Potenzial, denn weltweit werden heute nur etwa 6 % der Energie durch Wind- und Sonnenkraft erzeugt, während der Anteil von Kohle bei rund 40 % liegt.
Die Entwicklung bei Offshore-Windenergie ist ebenfalls interessant, wenngleich bisher schwierig, weil die auf dem Meeresgrund befestigten Windräder nur bis zu einer Tiefe von 50 Metern gebaut werden können. Die Lösung dafür sind schwimmende Windräder, die fast überall auf dem Meer viel tiefer verankert werden können, wo man sie nicht sieht und sie weit weg von Schifffahrts- und Fischfangwegen sind. Diese Entwicklung befindet sich zwar noch in den Kinderschuhen, doch wir gehen davon aus, dass sich in den kommenden Jahren attraktive Chancen bieten könnten, die Kapazität zur Erzeugung von Windenergie mit Offshore-Anlagen zu vergrößern.